Zelullärer „Pannendienst“ schützt vor schädlichen TDP-43-Aggregaten
- Jacqueline Kandsberger
- vor 1 Tag
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In ihrer Veröffentlichung in Nature Chemical Biology haben Forschende unter der Leitung des PROXIDRUGS-Teams einen Mechanismus entdeckt, der die Bildung unlöslicher TDP-43-Proteinaggregate in Zellen unter Stress verhindert – ein vielversprechender Ansatz für neue Therapien bei ALS und anderen neurodegenerativen Erkrankungen.
Die Bildung unlöslicher Proteinaggregate in Nervenzellen ist ein zentrales Merkmal der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) sowie weiterer neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer und Frontotemporaler Demenz. Besonders relevant ist dabei das Protein TDP-43, das unter Stressbedingungen zur Bildung solcher Aggregate neigt.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Zukunftsclusters PROXIDRUGS ist es dem Forschungsteam um Kristina Wagner, Jan Keiten-Schmitz und Arbeitsgruppenleiter Stefan Müller von der Goethe-Universität Frankfurt, zusammen mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gelungen, diesen Prozess in kultivierten Zellen zu unterbrechen.
Das Team konnte zeigen, dass TDP-43 unter Stress aus dem Zellkern austritt und sich in sogenannten Stressgranula ansammelt – temporären Schutzräumen für Proteine. Mutiertes TDP-43, wie es bei vielen ALS-Patient*innen vorliegt, löst sich jedoch nicht wieder auf, sondern verfestigt sich zu schädlichen Aggregaten. Im Rahmen ihrer Experimente koppelte das Forschungsteam TDP-43 gezielt an das Protein SUMO, eine Art zellulärer „Pannendienst“, wodurch TDP-43 in die PML-Kernkörperchen – eine zelluläre „Werkstatt“ – umgeleitet wurde, wo es in löslicher Form entweder korrigiert oder durch das zelleigene Recycling-System abgebaut wird. So kann die Bildung unlöslicher Aggregate bereits im Vorfeld verhindert werden.
Die PROXIDRUGS-Forschenden sind derzeit auf der Suche nach kleinen Molekülen, die SUMO und TDP-43 miteinander verbinden – erste vielversprechende Kandidaten wurden bereits identifiziert. Müller erläutert: „Unsere Zellkulturexperimente haben gezeigt: Das Prinzip funktioniert, Zellen dabei zu helfen, krankheitsfördernde TDP-43-Proteine selber unschädlich zu machen. Auch wenn der Weg zu einem möglichen Medikament gegen ALS noch sehr weit ist, lohnt es sich auf jeden Fall, diesen Ansatz weiterzuverfolgen. Denn TDP-43-Verklumpungen finden sich auch bei anderen neurodegenerativen Krankheiten, etwa bei der Frontotemporalen Demenz oder bei etwa der Hälfte aller Alzheimer-Patient*innen.“
